Angriffe auf Politiker*innen nehmen erschreckendes Ausmaß an

Seit einer Woche häufen sich die Meldungen über Politikerinnen, die landesweit angegriffen werden. Diese beunruhigende Entwicklung hat auch unseren Landkreis erreicht. Am vergangenen Samstag wurde Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nach einem Dialog mit Bürgerinnen zum Thema Demokratie bedrängt.

Ihr Auto wurde eingekesselt und sie wurde daran gehindert, abzufahren. „Diese gewalttätigen Übergriffe sind besorgniserregend und zeigen, dass verbalem Hass und Hetze nun vermehrt Taten folgen,“ so Steffi Bernsee, unsere Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen Barnim.

Die rapide zunehmende Gewalt gegen Politiker*innen hat auch im Kreisverband Barnim für Bestürzung gesorgt. „Wir haben seit langem vor dieser Entwicklung gewarnt. Obwohl wir nicht überrascht sind, ist das Ausmaß der Taten dennoch schockierend. Unsere Gedanken sind bei den Betroffenen, insbesondere bei dem schwer verletzten SPD-Europapolitiker Matthias Ecke.“

Die Auswirkungen der Gewalttaten gegen politisch aktive Menschen im Ehrenamt und gegen Berufspolitiker, gehen jedoch über den individuellen Schaden noch hinaus. Sie verursachen immense gesellschaftliche Schäden, deren Ausmaß sich für die Demokratie bisher nur erahnen lässt.
Diese gewalttätigen Aktionen verbreiten Angst und Schrecken. Sie lenken Demokratinnen von ihren eigentlichen Aufgaben ab und hindern sie daran, sich auf den Dialog mit den Bürgerinnen zu konzentrieren. Dabei ist der Dialog essentiell für die Demokratie.

„Es ist nicht nur Aufgabe des Staates, die Demokratie zu schützen. Zur Demokratie gehören auch Parteien und Wahlkämpfe. Die gesamte Gesellschaft muss sich dieser Verantwortung bewusst werden und sich gegen diese verrohte Form der Auseinandersetzung stellen“, findet Sebastian Gellert, Sprecher unseres Kreisverbandes deutliche Worte.

Wir befinden uns in einer Sackgasse, in der wir dringend Lösungen finden müssen aus dieser Gewaltspirale wieder herauszukommen.

„Es ist nun besonders wichtig ist die Aktiven vorzubereiten und zu schützen. Dennoch heißt es bei uns: Jetzt erst recht!“ fasst der Kreissprecher die Stimmung im Vorstand zusammen.

Die Barnimer Grünen werden ab nächster Woche durch den Landkreis touren und sich als Gesprächspartnerinnen insbesondere auch im ländlichen Raum den Bürgerinnen stellen. Es wäre fatal, das Feld nun den Spaltern zu überlassen. Wir setzen weiterhin auf den Dialog.

„Zwischen 2014 und Mitte 2021 erlebte jede dritte Person einen Angriff gegen sich selbst – am häufigsten Beleidigungen. 14 Prozent der Befragten berichteten auch über körperliche Gewalt. Die Fälle sind parteiübergreifend.“

Ein nachdenklicher Kommentar von Landtagskandidatin Barbara Brecht-Hadraschek

Es darf nicht sein, dass wir Zivilcourage brauchen, um uns ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Mir gingen die persönlichen Erzählungen von Parteifreundinnen aus Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Barnim sehr nahe, die bei der Veranstaltung mit Katrin Göring-Eckardt waren.

Unsere Demokratie wird ganz stark von der Kommunalpolitik getragen. Hier können Bürger*innen sich selbst aktiv einbringen, im Bürgerhaushalt, als sachkundige Einwohner*innen in einem Ausschuss oder als ehrenamtliche gewählte Person in einer Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung. Viele wichtige Entscheidungen können hier im demokratischen Diskurs ausgehandelt werden – für die Menschen in unseren Städten und Gemeinden.

Andererseits werden kommunale Amts- und Mandatsträger*innen immer häufiger Opfer von politisch motivierten Straftaten. Eine Studie zeigt: „Zwischen 2014 und Mitte 2021 erlebte jede dritte Person einen Angriff gegen sich selbst – am häufigsten Beleidigungen. 14 Prozent der Befragten berichteten auch über körperliche Gewalt. Die Fälle sind parteiübergreifend.“

Es ist jetzt schon schwer, Menschen zu motivieren, einen nicht unerheblichen Teil ihrer Freizeit mit einem politischen Ehrenamt zu füllen. Das ist ja auch manchmal sehr mühsam und zeitfressend. Ich selbst mache das erst seit rund drei Jahren – und gerade jetzt in Wahlkampfzeiten ist das besonders kräftezehrend. Wenn dann auch noch unsere Plakate abgerissen werden oder noch schlimmer, politisch engagierte Menschen angepöbelt und bedroht werden, ist unsere Demokratie in Gefahr.

Das macht ja was mit uns allen. Mit denen, die betroffen sind, und denen, die wegschauen.

Besonders nahe gingen mir die persönlichen Erzählungen von Parteifreundinnen, die bei der Veranstaltung mit Katrin Göring-Eckardt letzten Samstag waren. Eine absolut bedrohliche Situation mit einem pöbelnden und aggressiven Mob. Übrigens: Es haben nur die einen Bodyguard, die nach der Veranstaltung wieder wegfahren. Alle anderen, ehrenamtlich Engagierten bleiben zurück. Wohlwissend, dass gerade in den kleinen Dörfern jeder weiß, wo sie wohnen.

Ich möchte nicht, dass die gewinnen, die am lautesten brüllen und aggressivsten ihre politischen Gegner zu persönlichen Feinden machen. Ich möchte einen Wettbewerb der Ideen und Konzepte um die Wähler*innengunst, keinen Kampf der Bullys auf dem politischen Schulhof.

Ich wünsche mir, dass auch die stillen, klugen Menschen etwas für ihren Kreis, ihre Stadt und ihr Dorf durchsetzen können, weil sie gute Ideen haben, nicht nur die lauten, aggressiven Selbstdarsteller, die nur sich selbst gerne zuhören.

„Auch Solidarität für Betroffene kommt laut der Studie zu kurz. Nur knapp 40 Prozent der Betroffenen haben persönlich Zuspruch nach einem Vorfall erfahren. Damit die Bereitschaft zur Übernahme von Ehrenämtern nicht noch weiter sinkt, muss die gegenseitige Solidarität und die Wertschätzung dieser Arbeit häufiger und deutlicher geäußert werden, so die Studie.“ (Quelle im ersten Kommentar)

Ich wünsche mir diese parteiübergreifende Solidarität! Wenn wir nicht füreinander einstehen, verlieren wir alle. Es darf nicht sein, dass wir Zivilcourage brauchen, um uns ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Politik kann Spaß machen! Wir können gemeinsam gestalten und andere motivieren, mitzumachen!

Kriegen wir die Kurve? Ich hoffe es, es hängt so viel davon ab. Seid ihr dabei?

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